Gedanken für die Praxis – Nr. 48
"Fragen statt behaupten" - eine wichtige rhetorische Technik, die oft vergessen wird
Was machen viele Verkäuferinnen und Verkäufer falsch?
Sie vertreiben nicht nur Produkte und Dienstleistungen, sondern sie vertreiben auch potenzielle Kunden. Sie hindern sie durch ihr Auftreten und insbesondere ihre Wortwahl daran, Interesse am Angebot auf- bzw. auszubauen. Denn sie spulen wie mit einem Tunnelblick Marketingfloskeln, Marketingsprüche oder Verkaufsleitfäden ab. Und sie spulen mit einem Tunnelblick alle die Vorteile ab, die ihr Angebot hat – in dem guten Glauben, dies interessiert potenzielle Kunden. Doch sie versäumen es dabei, nach den wirklichen Wünschen und Bedürfnissen der potenziellen Kunden zu fragen.
Zudem entsteht so ein Bild von Beliebigkeit, von „Fließband“-Betreuung. Denn die Gesprächspartner bleiben letztendlich nur Informationsempfänger – ein ernsthaftes Interesse an deren wirklichen Wünschen und Bedürfnissen wird mangels Frageeinsatz nicht vermittelt. Auch wenn das die Extremvariante der Kundenkommunikation ist, so findet sich in der Praxis doch ein mehr oder weniger starker Drang danach, die eigene Meinung zu erzählen und etwas zu behaupten („Das ist die beste Lösung für Sie.“), statt zu fragen („Was soll Ihre Ideallösung beinhalten?“)
Fragen statt behaupten ist also eine Leitplanke auf dem Königsweg der (Kunden-)Kommunikation. „Kunden“ steht hier bewusst in Klammern, denn fragen statt behaupten macht in jeder Art von Kommunikation Sinn. Doch Achtung: Fragen ist nicht gleich fragen. „Wer fragt, der führt“ ist nur die halbe Wahrheit. Denn Fragen zu stellen ohne Ziel und taktisches Geschick ist wie Gehen im Urwald ohne Navigation. Die volle Wahrheit lautet: „Wer fragt, der führt – allerdings wohin?“
Es geht darum, ausgehend von dem Gesprächsziel taktisch klug zu fragen (was das genau bedeutet, dazu mehr in einer der kommenden Ausgaben von „Gedanken für die Praxis“).
Wenn Sie taktisch klug Ihre Fragen stellen, werden Sie merken, dass Ihre Kunden und sonstigen Gesprächspartner viel leichter und effizienter in die von Ihnen gewünschte Richtung gehen werden – sofern nicht eine totale Ablehnung besteht.
Fragen statt behaupten kann zum Beispiel bedeuten,
- statt zu behaupten: „Dieses Angebot ist ideal für Sie.“ zu fragen: „Wie stellen Sie sich das für Sie ideale Angebot vor?“
- statt zu behaupten: „Ihre Arbeit ist schlecht.“ zu fragen: „Wie kommen Sie zu diesem Ergebnis?“
- oder – ein klassisches Beispiel dafür, die eigene Meinung als „Wahrheit“ hinzustellen –
statt zu behaupten „Das Konzert/Sportereignis war toll.“ zu fragen: „Wie hat Ihnen das Konzert/Sportereignis gefallen?“
Erst durch Fragen stellen lässt sich erfahren, was der Gesprächspartner tatsächlich meint und denkt und benötigt. Zugleich verspürt er dadurch das Gefühl, wichtig genommen zu werden.
Und nein, es fällt einem kein Zacken aus der Krone beim Fragestellen. Oft ist die Angst vorhanden, mit einer gestellten Frage könnte Unsicherheit ausgestrahlt werden. Oder es ist das Bedürfnis vorhanden, die eigene Meinung und das eigene Wissen in Gesprächen und Verhandlungen in den Mittelpunkt zu stellen – die Gründe hierfür sind in der Regel vielfältiger Natur – von Gesprächigkeit, von mangelnder Gesprächssensibilität bis hin zu Unsicherheit.
Ich wünsche Ihnen stets die Kraft und die Sensibilität, die richtigen Fragen zu stellen und sich selbst ein wenig zurückzunehmen.
Herzliche Grüße, Ihr Peter A. Worel
Den gesamten Text als pdf hierzu erhalten Sie mit nachfolgendem Link:
Gedanken für die Praxis – Nr. 48.pdf