Gedanken für die Praxis – Nr. 54
Adjektive - eine Wortgattung, mit der Sie (ungewollt) Missverständnisse oder gar Ablehung auslösen
Wie oft haben Sie sich schon Gedanken darüber gemacht, welche Wirkung Sie mit Adjektiven in Ihren Gesprächen oder Präsentationen oder Reden erzielen? Noch gar nie?
Dann gehören Sie zu den Menschen, die selbst unter Einsatz ansonsten starker Gesprächs-, Präsentations- und Redetechnik sich den Weg hin zu ihrem Kommunikationsziel unnötig schwer machen, möglicherweise sogar auf Anhieb dieses Ziel überhaupt nicht erreichen.
Weshalb ist das so?
Das liegt an der Wirkung, die viele Adjektive bei Zuhörern und Gesprächspartnern auslösen. Der „Sprachpapst“ Wolf Schneider beschreibt Adjektive wie folgt: „Die Eigenschaftswörter, Beiwörter oder Adjektive (die ‚Drangeworfenen‘, nach dem lateinischen Ursprung) sind die am häufigsten überschätzte und am meisten missbrauchte Wortgattung. Sie produzieren Tautologien, sie begünstigen bürokratische Blähungen, verkorkste Konstruktionen und törichte Superlative. Auch wo sie all dies meiden, neigen sie immer noch dazu, sich auf schlanke Verben und pralle Substantive wie Schwabbelfett zu legen.“ (Zitat aus „Deutsch für Profis“).
Abgesehen von diesen Stilwirkungen, die Adjektive verursachen, ergänze ich die Betrachtung um den Punkt, wie diese Wortgattung inhaltlich auf Menschen wirkt.
Ich unterteile Adjektive in zwei Hauptkategorien:
- Adjektive, die Objektives ausdrücken
- Adjektive, die Subjektives und Blickwinkel-Abhängiges ausdrücken
Solange Adjektive Objektives ausdrücken, wie zum Beispiel Farben („Das Blatt Papier ist weiß.“), haben sie in der Kommunikation in der Regel keine negative Wirkung – außer jemand vermisst die genaue Beschreibung der jeweils zahlreichen Nuancen einer Farbe (es gibt alleine über 260 Rottöne).
Missverständnisse oder gar Ablehnung lösen Adjektive dann aus, wenn sie eine subjektive Meinung ausdrücken, ohne diese als solche zu beschreiben. Nur weil die eine Person etwas so sieht oder so einschätzt, heißt es noch lange nicht, dass alle anderen Personen dies genauso tun. Widerspruch ist somit vorprogrammiert.
„Ein tolles Angebot.“ ⇒ individuelle Meinung
„Das Sportevent war toll.“ ⇒ individuelle Meinung
Noch mehr den Kommunikationsfluss bremsen Adjektive dann, wenn sie im Sinne einer absoluten Meinung gebraucht werden, die nur aus dem Blickwinkel der „sendenden“ Person so gesehen wird:
„Das ist falsch, was Sie da sagen.“ ⇒ absolute Meinung
„Das ist die beste Person für Dein Leben.“ ⇒ absolute Meinung
„Diese Entscheidung ist alternativlos.“ ⇒ absolute Meinung
Je wichtiger für Sie ein Gespräch oder eine Präsentation oder eine Rede ist, umso mehr empfehle ich Ihnen, sich darüber klar zu werden, wie und welche Adjektive Sie benutzen wollen.
Lösung:
Anstatt Adjektive zu benutzen, die Subjektives, Blickwinkel-Abhängiges oder gar eine absolute Meinung ausdrücken, erreichen Sie Ihr Kommunikationsziel leichter, schneller und oft sogar mit unerwarteter Zustimmung bereits im ersten Anlauf, wenn Sie kommunikationstaktisch geschickte Fragen stellen.
Ein Beispiel: Anstatt den Adjektivsatz „Das ist die beste Person für Dein Leben.“ zu benutzen, fragen Sie (je nach Antwort/Situation gefolgt von weiteren passenden Fragen): „Welche Eigenschaften wünschst Du Dir von der Person, mit der Du Dein Leben verbringen willst?“ Und diese Eigenschaften besitzt dann idealerweise die vermeintlich „beste Person“ aus dem ursprünglichen Adjektivsatz. Mehr dazu im Training.
Diese Rhetorik-Technik können Sie übertragen auf Angebote, auf vermeintlich falsche Aussagen, auf gegenteilige Meinungen, auf Bewertungen …
Stellen Sie sich bitte vor, um wieviel motivierender eine Frage als eine behauptende Aussage wirkt – jedenfalls dann, wenn Sie andere Menschen für Ihr Ziel gewinnen wollen.
Fazit:
Alleine schon aus stilistischer Sicht ist es besser, die Sprache schlank zu halten. W.E. Süskind gibt uns den Gedanken an die Hand: „Man gebe den Hauptwörtern den Rachen frei und erlaube ihnen, Eigenschaftswörter zu verschlingen.“ (Zitat aus „Vom ABC zum Sprachkunstwerk“).
Aus kommunikationstaktischer Sicht ist es sinnvoll und nützlich und hilfreich, sich über den Einsatz von Adjektiven Gedanken zu machen. Wenn Sie Ihre Gesprächsziele möglichst effizient und ohne unnötige Diskussionen erreichen wollen, dann verzichten Sie auf solche Adjektive, die zum Widerspruch geradezu auffordern.
Denn Sie wissen: Kommunikation ist das, was ankommt. Und sehr oft ist hier weniger mehr.
Herzliche Grüße, Ihr Peter A. Worel
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