Gedanken für die Praxis – Nr. 39
Überzeugende Kommunikation - auch mit Brief und E-Mail!
Überzeugende Kommunikation gepaart mit überzeugendem Auftreten wird in den meisten Fällen zu Recht gleichgesetzt mit dem persönlichen Auftritt vor anderen Menschen – im Gespräch, bei Präsentationen, bei Verhandlungen, im Verkauf, in der Führung, ...
Doch überzeugendes Auftreten im Sinne von „ich repräsentiere mein Unternehmen“ umfasst zudem die schriftliche Kommunikation. Häufig wenig durchdacht in der Wortwahl werden zahlreiche Geschäftsbriefe und E-Mails an Kunden und Geschäftspartner versandt. Und auch die sogenannten „Abwesenheitsassistenten“ im Mailverkehr zeigen, wie der Autor des dortigen Textes „tickt“ und denkt. Beinahe so schlimm wie in häufig abgespulten Floskeln von Hotlines lassen sich leider auch in der schriftlichen Kommunikation unpersönliche und untergeordnetes Interesse am Empfänger (z.B. Kunde) offenbarende Formulierungen finden.
Rhetorik ist die Kunst der Rede. Und eine „Rede“ ist keine „Schreibe“. So weit, so gut.Gleichwohl lassen sich manche rhetorische Stilmittel und Werkzeuge der Rede auch für das Schreiben von Briefen und E-Mails nutzen.
Denn hier wie dort geht es um Kommunikation zwischen Menschen. Und in beiden Fällen reagieren wir auf bestimmte Formulierungen tendenziell eher interessiert und offen, während uns manche Worte und Sätze geradezu einladen, uns dem Anliegen des (Ab-)Senders zu verschließen.
Was liegt somit näher, als passende rhetorische Werkzeuge auch in der schriftlichen Kommunikation zu nutzen?
Es geht dabei um die Frage, wie es gelingt, den Empfänger einer Botschaft so anzusprechen bzw. anzuschreiben, dass er sich wirklich persönlich adressiert fühlt und öffnet, anstatt den Eindruck „wie von der Stange“ zu erhalten und sich verschließt. Dazu gehört mehr als dessen Namen im Anschriftsfeld, in der Anrede und möglicherweise noch irgendwo im Textverlauf zu schreiben.
Wie gelingt am Empfänger orientierte schriftliche Kommunikation?
Mit an erster Stelle gehört hierzu die rhetorische Technik des sogenannten „SIE-Standpunkts“. Bereits in einigen der bisherigen „Gedanken für die Praxis“ konnten Sie hierzu lesen. Und alle Leser, die zu meinen Kunden zählen, kennen dieses mächtige Werkzeug aus Einzeltrainings, Seminaren, Workshops und Vorträ-gen.
Beispiele für gängige und doch wenig ansprechende Sätze sind „Wir senden Ihnen zu ...“, „Wir nehmen Bezug auf ...“, „Wir liefern Ihnen ...“, „Wir erwarten, dass Sie ...“. Sie unterstreichen, dass zuallererst in und aus der Firmendenke heraus geschrieben wird. Der Adressat bleibt am Rande, dabei gehört er doch in den Mittelpunkt. Ansprechender und öffnender wirken die Alternativen im SIE-Standpunkt wie beispielsweise „Sie erhalten von uns ...“ bzw. „Bitte senden Sie uns ... zu.“
An den Empfänger gedacht hat auch der Verfasser der folgenden Fußnote einer Mobilfunk-Mail: „Mobil gesendet, daher entsprechend knapp gehalten.“ Sie hat mich kürzlich erreicht und positiv überrascht. Gleichwohl bedeutet mobil senden nicht, sämtliche Regeln der Sprache außer Acht zu lassen.
Folgende Texte von Abwesenheitsassistenten stammen aus der Tastatur von Menschen, die in erster Linie in Ihrer eigenen Arbeitswelt denken, anstatt dem Empfänger eine ansprechende Information zukommen zu lassen: „Ich bin vom ... bis ... abwesend. Ich bin wieder erreichbar ab ...“. Besser wirkt: „Sie erreichen mich wieder ab ...“. Das „Was“, der Informationsgehalt, mag in beiden Varianten identisch sein, doch gerade das „Wie“ entscheidet darüber, ob Worte wohlwollend und offen aufgenommen und verarbeitet werden, und welche unterbewussten Reaktionen sie beim Empfänger auslösen.
Völlig am Empfänger vorbei geschrieben ist folgender Text, obwohl er von der Wortwahl her durchaus mit einem SIE-Standpunkt geschmückt ist: „Gerne können Sie sich während meiner Abwesenheit an Frau/Herrn XY wenden.“ – ohne die Kontaktdaten von Frau/Herrn XY anzugeben. Nur weil der Verfasser Frau/Herrn XY aus dem Kollegenkreis und die entsprechenden Kontaktdaten selbstverständlich kennt, gilt dies für Externe noch lange nicht.
Häufig führt schlichtweg die innerbetriebliche Routine dazu, zu vergessen, dass externe Personen eine abweichende Sicht haben. Ein entsprechendes Training wirkt hier in der Regel gleichsam Wunder.
Wie beim Reden gelten auch beim Schreiben von Briefen, E-Mails und Abwesenheitstexten die Worte von Peter F. Drucker: „Betrachte die Welt mit den Augen Deines Gegenübers.“
Ich wünsche Ihnen viel Erfolg, stets den richtigen Blickwinkel sowie eine öffnende Kommunikation. Kommen Sie gerne auf mich zu, wenn Sie Fragen zu den hier erwähnten Impulsen und darüber hinaus haben.
Mit herzlichen Grüßen,
Ihr Peter A. Worel
Den gesamten Text als pdf hierzu finden Sie mit nachfolgendem Link:
Gedanken für die Praxis – Nr. 39.pdf